Mut, Weitblick & Ausdauer als Tugenden für den Eigenausbau

Die Marktgemeinde Randegg hat sich als eine von wenigen Gemeinden dazu entschlossen, den Glasfaser-Ausbau selbst in die Hand zu nehmen – wir sprachen mit Projektleiter und GF Gemeinderat Matthias Repper über die anfänglichen Hürden, Randeggs Vorgehensweise und die Erfolge, die das vor kurzem fertiggestellte Projekt mit sich gebracht hat…

NÖ Gemeindebund: Herr Repper, wie kommt man auf die Idee, ein solches Mammutprojekt als kleine Gemeinde in Angriff zu nehmen?

Matthias Repper: Die Gemeinde Randegg hat sich bereits seit dem Jahr 2013 sehr intensiv mit dem Thema Breitbandausbau beschäftigt. Grund waren zahlreiche Beschwerden von Jugendlichen, welche Internetspiele spielen wollten und das auf Grund der schlechten Datenleitung nur sehr eingeschränkt möglich war. Als Jugendgemeinderat habe ich mich diesem Thema angenommen. Gespräche mit den lokal agierenden Telekommunikationsunternehmen brachten keine zufriedenstellenden Lösungen. Auch bei der Pilotregion Ybbstal konnte man sich nicht anhängen. Deshalb haben wir ein Projekt selbst aufgestellt und seit einigen Wochen sind alle Liegenschaften mit einem Leerrohr und einer Glasfaser versorgt, sofern dies die Bürger auch wollten. Wir sehen das Projekt ausschließlich als Daseinsvorsorge für unsere Bürger und wollten keine Unterschiede zwischen Siedlungsgebiete und Randgebiete mit Einzelgehöften machen.

Infoveranstaltung im Jahr 2018: Vbgm. Josef Tatzreither, GR Matthias Repper, NRAbg. Andreas Hanger, Bgm.in. Claudia Fuchsluger, LAbg. Anton Erber und Birgit Weichinger (noeRegional).

Was hat der Gemeinderat dazu anfangs gesagt?

Natürlich hatten einige Kollegen und Kolleginnen etwas Skepsis zu Beginn, da es um ein großes und für unsere Gemeinde teures Projekt ging und ich dazumal mit 24 Jahren als Projektleiter doch noch relativ jung war. In Summe stand dann aber der gesamte Gemeinderat dem Projekt sehr positiv gegenüber. Alle Beschlüsse wurden einstimmig gefasst. Wir haben aber auch sehr viel Zeit in die Planung und Vorbereitung gesteckt und alle Informationen bzw. Kalkulationen in einem Businessplan zusammengefasst. Das ist auch unbedingt notwendig, wenn man ein solches Projekt beginnt. Mittlerweile können wir sehen, dass unsere Planung zu 100 % gehalten hat. Ausgabenseitig konnten wir unsere Kalkulationen unterbieten, Einnahmenseitig sind wir voll auf Plan.

Von welcher Größenordnung kann man bei diesem Projekt sprechen?

Das Gemeindegebiet von Randegg hat 52 km² und ungefähr 570 Liegenschaften bzw. 635 Wohneinheiten. In etwa die Hälfte der Liegenschaften befinden sich in den Kerngebieten Randegg, Perwarth und Schliefau. Die zweite Hälfte sind im Regelfall Einzelgehöfte und über das gesamte Gemeindegebiet verstreut. Mittlerweile wurden aber auch noch ca. 70 Gebäude in den Randgebieten von Euratsfeld, Wang, Waidhofen/Ybbs und Gresten-Land mitversorgt und in etwa 25 Gebäude sollen noch folgen. Weitere 50 Liegenschaften können eventuell auch noch in den Randgebieten von Neuhofen an der Ybbs mitversorgt werden. Hier befinden wir uns gerade in der Projektierungsphase. Baustart war Frühjahr 2019 und der Ausbau wurde im Gemeindegebiet vor einigen Wochen abgeschlossen. Dies gesamten Investitionskosten lagen bei rund 2,8 Mio. Euro. Das ergibt eine Investition von ca. 4.000 €/Liegenschaft und einen Eigenmittelanteil von ca. € 1.850 €/Liegenschaft. Wie habt ihr finanziert? Und bis wann rechnet sich das? Beanspruchen Sie für ihr Netz auch öffentliche Förderung oder verfolgen Sie ausschließlich einen eigenfinanzierten Ausbau? Die Finanzierung des Projekts kann in zwei Teilen eingeteilt werden:

  1. Darlehen (ca. 1,3 Mio.)
  2. Bundesförderungen (BBA2020 – ca. 1,5 Mio.)

Bei der alten Förderkulisse (BBA 2020) war es aus Fördersicht besser, das ganze Projekt in eine eigene Gesellschaft auszulagern. Das haben wir mit der 100 % Tochter der Marktgemeinde Randegg, der Breitband Randegg GmbH – BBRG, getan. Der Ausbau in den Kerngebieten ist wirtschaftlich natürlich lukrativer und sehr oft der Schlüssel dafür, dass auch die Randgebiete umsetzbar werden und somit gemeinsam eine akzeptable Amortisationszeit zu erreichen. In Randegg liegt diese bei ca. 30 Jahren und entspricht im Grunde dem Tilgungszeitraum des Darlehens, welches sich ausschließlich durch die Einnahmen aus der Netzverpachtung rückfinanziert. Entscheidend für ein erfolgreiches Projekt ist eine hohe Anschlussquote und ein möglichst sparsamer Ausbau. Letzteres konnten wir durch eher kleinere und größtenteils ortsansässige Baufirmen umsetzen. Das gesamte Projektmanagement wurde durch die Breitband Randegg GmbH – BBRG selbst durchgeführt.

Welches Geschäftsmodell habt ihr dafür gewählt?

Aus rechtlicher Sicht muss das Geschäftsmodell zwingend „Open Access“ sein. Das heißt, dass das Netz für andere Telekomunternehmen offen zugänglich sein muss. Dies ist vergleichbar mit den Stromnetzen, die ebenfalls nur einmal gebaut werden und von allen Stromanbietern genutzt werden können. Alle Telekommunikationsnetze können in drei Ebenen eingeteilt werden:

  1. Passive Netzebene
  2. Aktive Netzebene
  3. Diensteanbieter

Die Breitband Randegg GmbH – BBRG bedient ausschließlich die 1. Ebene. Bei uns gibt es nur einen aktiven Netzbetreiber, der im Zuge einer Ausschreibung ermittelt wurde und die zweite Netzebene bespielt. Er ist dafür zuständig, dass die Daten am Netz übertragen werden und muss auch die aktiven Netzkomponenten beistellen. Die 3. Ebene wird von zahlreichen Diensteanbietern vertreten, die den Kunden marktorientierte Internet-, Telefonie- und IPTV-Angebote machen.

Die Einbauarbeiten wurden von den Randeggern in Eigenregie durchgeführt.

Welche Leistung bekommen die Kunden und was kostet es ihnen?

Das Startangebot liegt für 100 Mbit/s symmetrisch bei 34 – 36 € je Monat. Das heißt, sowohl beim Download als auch beim Upload stehen 100 Mbit/s zur Verfügung. Das derzeit größte Angebot ist 1 Gbit/s symmetrisch und das kostet zwischen 75,90 und 100 Euro je nach Anbieter. Einmalige Kosten waren die 200 € bzw. 600 € für die Herstellung des passiven Netzes an die Breitband Randegg GmbH – BBRG und 100€ Aktivierungsgebühr für den Aktivnetzbetreiber. Derzeit hängen sechs Serviceprovider am Netz. Es kommen aber vereinzelt Neue hinzu.

Was waren die größten Hürden?

Zu Beginn war es nicht einfach, dass wir bei allen notwendigen Stakeholdern ernst genommen wurden. Auch das lag größtenteils an meinem Alter. Hier konnte ich aber immer auf unsere Fr. Bürgermeister zählen, die mich bei allen Terminen begleitet hat und somit die Seriosität und Ernsthaftigkeit dieses Projekts dem gegenüber signalisierte.

Was waren die größten Erfolge? Und Was zeigt ihr gerne her?

Zu Beginn in der Sammelphase war es der Rückhalt in der Bevölkerung. Über 70 % im gesamten Gemeindegebiet gaben eine Bestellung ab. In den Randgebieten sind es fast durchgängig 100 % Bestellquote. Es gab einen richtigen Flow in der Bevölkerung und die Randegger und Randeggerinnen sprachen und sprechen noch immer von ihrem Netz. Sie identifizieren sich mit dem Projekt und stehen vollkommen dahinter, vor allem jetzt in Zeiten von Homeoffice und Homeschooling. Heute ist es auf alle Fälle die erfolgreiche und vollflächige Umsetzung des Projekts. Alle Bürger die möchten, können nun ein schnelles Internet haben, unabhängig davon, wo sie zu Hause sind. Das macht uns sehr stolz. So wollen wir der Abwanderung entgegenhalten und viele jugendliche motivieren, den elterlichen Bauernhof zu übernehmen, damit unsere schöne Region auch weiterhin so gepflegt bleibt. Daseinsvorsorge eben! Für mich persönlich hat dieses Thema mein Leben verändert. Ich durfte mein Hobby zu meinem Beruf machen und unterstütze bereits zahlreiche Gemeinden bzw. Landesorganisationen bei der Umsetzung eines vollflächigen Glasfaserausbaus.

Ist  Mobilfunk (5G) für das Netz eine Konkurrenz?

Nein, im Gegenteil. Wir haben vor dem Ausbau gemerkt, dass unsere Handynetze in der Gemeinde sehr oft ziemlich überlastet waren. Durch den Glasfaserausbau gab es hier wieder Verbesserungen in der Netzqualität. Es gibt schlichtweg stationäre und mobile Anwendungen, weshalb beide Technologien notwendig sind. Außerdem brauchen 5G Sender Glasfaseranbindungen, welche wir zur Verfügung stellen können. Meine persönliche Meinung ist aber auch, dass 5G nicht die Technologie des ländlichen Raums ist. Der Grund dafür ist wohl aber auch, dass ich den ländlichen Raum etwas anders definiere als viele andere Telekommunikationsunternehmen. Hier macht dann die Physik mit der Übertragungsweite einen Strich durch die Rechnung.

Welche Vorgangsweise raten Sie einer Gemeinde für den vollflächigen Glasfaserausbau ftth?

Eine gute Planung und eine genaue Vorbereitung können bereits von Beginn an viele Probleme verhindern. Deshalb ist es sinnvoll, zeitnah eine Kontaktaufnahme mit der Breitbandkoordination des Landes Niederösterreich zu machen, welche eine Gemeindeberatung anbietet. Wichtig ist aber auch, dass man sich geeignete Planungs- und Dienstleistungsbüros sucht, welche eine positive Projektumsetzung gewährleisten. Von großer Bedeutung ist aber auch der Umstand, dass bei allen sinnvollen Möglichkeiten eine Mitverlegung von Leerrohren erfolgen soll.

Welche Voraussetzungen muss eine Gemeinde mitbringen, wenn sie einen Eigenausbau starten will?

Die wichtigsten Tugenden sind Mut, Weitblick und Ausdauer.